Ratgeber

Gender Pay Gap 2024

Es ist 2024 und immer noch gibt es in Deutschland einen großen Gender Pay Gap. Das heißt, Frauen verdienen für die gleiche Arbeit immer noch weniger als Männer – und zwar 18 %. Der Wert stagniert seit Jahren, denn die Ursachen für den Gender Pay Gap sind vielfältig.

von Alena Restuccia-Maurer
8. März 2024

Was ist der Gender Pay Gap? 

Der Gender Pay Gap beschreibt die Differenz der Durchschnittsgehälter von Frauen und Männern. Die statistische Messung zeigt, wie viel weniger Frauen im Vergleich zu Männern verdienen. Diese Differenz wird oft als Prozentsatz des durchschnittlichen männlichen Gehalts dargestellt, wobei ein Wert von 0% bedeutet, dass Männer und Frauen im Durchschnitt das gleiche Gehalt verdienen, während ein Wert über 0% darauf hinweist, dass Männer im Durchschnitt mehr verdienen als Frauen. Als 2006 mit Messungen zum Gender Pay Gap begonnen wurde, lag die Differenz im geschlechterspezifischen Verdienst bei 23 %. Laut dem statistischen Bundesamt beträgt der Gender Pay Gap 2024 in Deutschland 18 % – der Wert stagniert seit 2020. Es handelt sich hier um den unbereinigten Gender Pay Gap.  

Der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap berücksichtigt auch Faktoren wie Berufswahl, Bildung, Erfahrung und Arbeitszeit, um eine genauere Darstellung der geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede zu bieten. Erwerbsunterbrechungen werden bei der bereinigten Lohnlücke nicht berücksichtigt. 2024 liegt der bereinigte Gender Pay Gap bei 6 %.  

Besonders betroffen: Geringverdienerinnen  

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass sich der Gender Pay Gaps in den letzten Jahren vor allem in hohen und mittleren Verdiensten verringert hat. Die Verdienstlücke wurde demnach für 80 % der Beschäftigten mit mittleren und hohen Verdiensten kleiner – für diejenigen mit sehr niedrigen Verdiensten vergrößerte sich die Differenz sogar.  

Ein Grund: Die Corona-Krise sorgte insgesamt dafür, dass die Verdienste im niedrigen Sektor stark zurück gingen. Ein deutlicher Unterschied: Die Verdienste der untersten 10 % Frauen gingen hier stärker zurück als die der Männer. Das machte von 2019 bis 2021 sogar eine Vergrößerung des Gender Pay Gap auf 37,3 % in diesem Sektor aus. Von diesem Anstieg sind aber nicht nur die untersten 10 % der Vollzeitbeschäftigten betroffen, sondern auch der Großteil aller Teilzeitbeschäftigten und etwa die Hälfte aller Minijobberinnen. Die Studie legt außerdem dar, dass Frauen eher länger in Teilzeit- und Minijobs verbleiben, während Männer tendenziell eher in Vollzeitbeschäftigung verbleiben. Für die Studie wurde eine Stichprobe aus den Erwerbsbiografien aller 2019 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Alter von 25 bis 60 Jahren analysiert.  

Ursachen des Gender Pay Gap 

Gesellschaftliche Strukturen 

Ein Großteil der Verdienstdifferenz zwischen Frauen und Männern lässt sich durch gesellschaftliche Strukturen erklären. Darunter fällt die Tatsache, dass Frauen öfter in Berufen tätig sind, die schlechter bezahlt werden und seltener Führungspositionen bekleiden. Es fällt auch ins Gewicht, dass die Arbeit an sich in männerdominierten Branchen in der Regel höher bewertet wird als die in frauendominierten Bereichen. Dabei sind körperliche und psychische Belastungen in den „typischen Frauenberufen“ wie in der Pflege unterbewertet oder nicht berücksichtigt.  

Aber für die 6 % des bereinigten Gender Pay Gaps gibt es diese strukturellen Gründe nicht. Fakt ist aber, dass auch die Bezahlung derselben Berufe geschlechtsspezifische Unterschiede aufweist, das heißt Frauen mit vergleichbarer Position, Alter, Berufserfahrung sind im Vergleich zu Männern hier schlechter gestellt. Dabei ist im rechtlichen Gebot der Entgeltgleichheit sogar gesetzlich verankert, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern gleiches Entgelt bezahlt werden muss. Aber warum verdienen Ärztinnen immer noch weniger als Ärzte, Verkäuferinnen weniger als Verkäufer oder Anwältinnen weniger als Anwälte? 

Diskriminierung  

Diese Unterschiede in der Bezahlung von Frauen und Männern können auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Darunter fallen heute noch geschlechtsspezifische Rollenbilder und Vorurteile, die sich auf die Gehaltsverhandlungen und die Festlegung des Gehalts auswirken können. Diese Stereotype halten sich leider hartnäckig und werden oft auch unbewusst reproduziert.  

Schlechtere Entwicklungschancen

Dabei ist wichtig anzumerken, dass der Gender Pay Gap nicht immer auf direkte Diskriminierung zurückzuführen ist. Auch Unterschiede bei beruflichen Entwicklungschancen oder geringere Aufstiegsmöglichkeiten können zur Folge haben, dass die Gehälter von Frauen geringer ausfallen. Frauen wird außerdem oft weniger berufliche Weiterbildung ermöglicht, was ebenfalls zu einer Einkommensdifferenz führen kann. Diese Ungleichheit ist oft das Ergebnis von Erwerbsunterbrechungen oder Teilzeitbeschäftigung, die es Frauen schwerer machen, sich auf ihre berufliche Entwicklung zu konzentrieren. Diese Faktoren sind wiederum durch strukturelle Ungerechtigkeiten an anderer Stelle bedingt.  

Gender Care Gap

Der Gender Care Gap beschreibt die Zeitdifferenz, die Frauen im Vergleich zu Männern für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen. Darunter fallen zum Beispiel die Betreuung und Erziehung von Kindern, Hausarbeit und Pflege von Angehörigen. Da diese Sorgearbeit überdurchschnittlich von Frauen erbracht wird, wirkt sich das auch auf ihre Erwerbstätigkeit aus. Mehr Frauen arbeiten in Teilzeitbeschäftigung oder Minijobs und gehen zeitweise gar keiner Erwerbsarbeit nach.  

Folgen des Gender Pay Gap  

Der anhaltend hohe Gender Pay Gap in Deutschland hat weitreichende Folgen, die sich auf verschiedene Lebensbereiche von Frauen, aber auch unserer gesamten Gesellschaft auswirken.  

Einkommensverluste: Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, was zu erheblichen Einkommensverlusten über die Arbeits- und Lebenszeit führen kann.  

Niedrige Rentenansprüche: Da Frauen während ihres Arbeitslebens weniger verdienen und öfter durch Erwerbsunterbrechungen für die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen ausfallen, führt der Gender Pay Gap auch zu niedrigeren Rentenansprüchen im Alter. 

Armut: Frauen sind dadurch häufiger von Armut betroffen, insbesondere alleinerziehende Mütter oder ältere Frauen, die möglicherweise keine ausreichenden Rentenansprüche geltend machen konnten. 

Abhängigkeit vom (Ehe-) Partner: Niedrigere Einkommen können Frauen finanziell von ihren Ehepartnern abhängig machen und ihre wirtschaftliche Autonomie einschränken. Aus Angst vor Armut und doppelter Arbeitsbelastung verbleiben Frauen eher in Ehen oder Partnerschaften.  

Doppelbelastung durch Erwerbsarbeit und Care-Arbeit: Frauen tragen oft die Hauptlast der unbezahlten Care-Arbeit zu Hause, während sie gleichzeitig erwerbstätig sind, was zu einer Doppelbelastung führt.  

Zeitarmut: Frauen haben oft weniger Zeit für Freizeitaktivitäten, politisches und soziales Engagement sowie Weiterbildung aufgrund ihrer doppelten Belastung durch Erwerbsarbeit und Care-Arbeit. 

All dies führt zu einem Teufelskreis, der die geschlechtsspezifische Ungleichheit weiter verstärkt und es für Frauen schwieriger macht, aus diesem Zyklus auszubrechen. Denn je weniger Zeit und finanzielle Mittel Frauen zur Verfügung stehen, desto weniger können sie sich aktiv dafür einsetzen, die strukturellen Ungleichheiten aufzuarbeiten und den Gender Pay Gap zu bekämpfen. Es ist daher entscheidend, dass wir den Gender Pay Gap als Gesamtgesellschaft verringern wollen und strukturelle Barrieren abbauen, um gleiche Chancen und Gerechtigkeit für Frauen in allen Lebensbereichen zu schaffen.  

Gender Pay Gap verringern

Strukturelle Faktoren lassen sich nicht von heute auf morgen beseitigen und die Tatsache, dass der unbereinigte Gender Pay Gap nun seit vier Jahren bei 18 % stagniert, zeigt, dass es noch ein langer Weg ist bis zur Entgeltgleichheit. Allerdings können wir trotzdem daran arbeiten, dass die Verdienstlücke von Frauen kleiner wird. Hier sind einige Ansätze, mit denen jede und jeder Einzelne etwas beitragen kann.  

Transparenz bei Löhnen

Wir können uns für mehr Transparenz bei der Lohnauszahlung einsetzen, indem wir offene und faire Gespräche über Gehälter und Vergütungsstrukturen einfordern. Als Arbeitnehmende können wir uns informieren und Fragen stellen, um sicherzustellen, dass geschlechtsspezifische Diskriminierung vermieden wird und Frauen die gleichen Chancen auf angemessene Bezahlung erhalten. Gibt es in Ihrem Arbeitsvertrag keine Verschwiegenheitsklausel, können Sie in den offenen Austausch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen gehen, Entgelte vergleichen und Ungerechtigkeiten aufdecken. Die Verschwiegenheitsklausel ist übrigens nicht immer rechtens, das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern erklärte mit einem Urteil von 2019 eine solche Klausel für unwirksam. 

Reform von Betreuungsangeboten und Care-Arbeit

Die Quote der erwerbstätigen Frauen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Gleichzeitig gibt es nicht mehr Angebote für Kinderbetreuung oder Pflege. Betreuungslücken müssen politisch angegangen werden, aber auch als Gesellschaft können wir uns dafür einsetzen, dass die Verantwortung für die Kinderbetreuung und andere Care-Arbeit nicht nur auf den Schultern der Frauen lastet, sondern von allen geteilt wird. Als Partner, Familie und Freundeskreis können wir uns dafür einsetzen, dass sich alle zu gleichen Teilen an dieser Arbeit beteiligen, sodass auch Frauen ihre Karriereziele verfolgen können.  

Dazu gehört auch Elternzeit für Väter. In vielen gleichberechtigten Partnerschaften kippt diese Gleichberechtigung mit dem ersten Kind. Die Möglichkeiten der Elternzeitgestaltung und -vergütung befördern bislang häufig die traditionelle Rollenverteilung der Eltern. Auch aktuelle politische Entscheidungen stärken berufstätigen Müttern hier nicht den Rücken.  

Aktiv werden können hier auch insbesondere Unternehmen. Indem sie ihren Mitarbeitenden bei der Betreuung Unterstützung bieten, entlasten sie vor allem Frauen. Eine betriebseigene Kita fördert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber auch der Aufruf an Väter, in Elternzeit zu gehen, führt zu mehr Fairness.  

Sexismus und Stereotype bekämpfen

Setzen wir uns ein gegen Vorurteile und veraltete Rollenbilder. Sexistische Strukturen sind keine Seltenheit im beruflichen Umfeld. In einer gerechten Gesellschaft decken wir solches Verhalten auf und dulden es nicht weiter. Ein vermeintlich lustiger Kommentar mit sexistischer Aussage kann für Betroffene verletzend und diskriminierend sein. Schauen Sie in solchen Situationen hin, machen Sie auf Fehlverhalten aufmerksam und sorgen Sie für eine (notfalls rechtliche) Aufarbeitung.  

Insgesamt ist es an der Zeit, dass wir alle Verantwortung übernehmen und Maßnahmen ergreifen, um den Gender Pay Gap zu verringern und zu beseitigen. Indem wir uns gemeinsam für eine gerechtere Zukunft einsetzen, können wir eine Welt schaffen, in der alle Menschen gleiche Chancen und Anerkennung für ihre Arbeit erhalten, unabhängig von ihrem Geschlecht.  

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